Ein Schicksal oder eine Verletzung zu überwinden und vielleicht sogar daran zu wachsen, geht aus meiner persönlichen Erfahrung nur über aktive Akzeptanz.
Akzeptanz, dass das Leben ohne diese Erfahrung zu Ende ist.
Und das Leben mit dieser Erfahrung bereits begonnen hat.
Meine Gedanken und Erfahrungen zum Umgang mit Verlust, Enttäuschung und Tod.
Als unser Sohn im Alter von 6 Wochen starb, brach natürlich für meine Frau und mich die Welt zusammen.
Unser Leben voll Vorfreude auf eine kleine unbeschwerte Familie endete mit der Diagnose eines schweren Herzfehlers am Tag der Geburt.
Und unser Leben in der Hoffnung, dass doch noch irgendwie alles gut werden wird, endete 6 Wochen später mit Simons Tod.
Dass am nächsten Tag die Sonne wieder aufging als wäre nichts geschehen, und dass die Welt sich völlig unbeeindruckt weiter drehte, hat mich in diesem Moment völlig aus der Bahn geworfen.
Und doch hat sich unser Leben seit dem weiterentwickelt.
Nicht indem wir vergessen oder verdrängt haben, oder so weitergemacht haben wie vorher, sondern indem unser Sohn ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens und unserer Familie geblieben ist, der uns zu dem macht, was wir heute sind.
Mittlerweile ist für mich genau das zu einem Symbol geworden, dafür dass in dem Moment, in dem das Leben eine dramatische Wendung nimmt, immer auch ein "neues Leben" beginnt.
Ab diesem Moment beginnt mein Leben MIT dieser Erfahrung. Vielleicht sehr schmerzhaft und gleichzeitig reicher als das Alte.
Die Narben bleiben und sind ein wichtiger Teil von mir.
Dieses Prinzip gilt seit dem für mich auch in anderen Situationen.
Z.B. wenn mir der Chef mitteilt, dass es die Abteilung nach der nächsten Transformation nicht mehr geben wird,
wenn in der Familie eine Krankheit diagnostiziert wird,
oder auch, wenn ein Unwetter mir den Keller überflutet.
Daher halte ich den Spruch "Die Zeit heilt alle Wunden" für falsch.
Ich denke sogar, dass es mir schadet, zu warten bis alles irgendwie wieder "gut" oder "wie vorher" ist?
Wofür hätte ich dann gelebt?
Dennoch haben wir diese Sprüche von anderen immer wieder gehört.
Verbunden mit "ihr seid ja noch jung, ihr könnt ja noch Kinder bekommen" oder "das wird schon wieder".
Mittlerweile ist mir klar, dass Menschen, die das sagen in dem Moment selber mit der Situation überfordert sind. Sie wünschen sich wahrscheinlich, dass das Unangenehme - das Tabu - irgendwie wieder weg geht, wenn man es ignoriert - oder eben "mit der Zeit".
Wir hatten in dieser Zeit aber auch viele tolle Menschen um uns, die uns begleitet haben, die für uns da waren und mit uns geredet, geweint und auch wieder gelacht haben.
Ich möchte Mut machen offen mit dem was einem passiert umzugehen. Mit anderen Menschen zu reden. Die zu finden, die euch zur Seite stehen können und denen nicht böse zu sein, die selber mit der Situation überfordert sind.
Wunden müssen gereinigt und versorgt werden um gut heilen und vernarben zu können. Das gelingt am besten mit Hilfe.
Eine Verletzung, die man ignoriert, verdrängt oder sich selbst überlässt, kann sich entzünden und bis zur Vergiftung führen.
Das gilt für körperliche Wunden wie seelische Verletzungen gleich.
Mir ist sehr wichtig, dass diese Gedanken nicht als "Härte gegen sich selbst" missverstanden werden.
Im Gegenteil. Trauer, Wut und Verzweiflung sind wichtig und brauchen ihre Zeit und ihren Raum!
Die Welt ist nicht gerecht. Eine Antwort auf das "Warum" haben wir nicht bekommen.
Aber mit der Akzeptanz der schmerzhaften Erfahrung zeigt sich vielleicht hin und wieder ein "Wozu".
Die Kraft zu akzeptieren ermöglichte uns erst den nächsten Schritt nach vorn. Sonst halten wir an einer Vergangenheit fest, die es, aufgrund äußerer Umstände, nicht mehr gibt.
Es gibt viele Gesellschaften in denen das Trauern und Klagen über Verluste ein ganz offener Teil der Kultur ist - zum Leben dazu gehört.
Diese Trauerphase hat dann auch ein "offizielles Ende", ab dem - so schwer und langwierig das auch ist - das neue Leben gestaltet wird.
In unserer Gesellschaft wird der Tod oft totgeschwiegen und häufig auch andere Verluste und Verletzungen.
Wenn Sie möchten, dass eine Verletzung "heilt" und "gut vernarbt", dann lassen Sie das nicht zu.
"Sei stolz auf deine Narben. Sie machen dich zu dem, der du bist.
Schließe deinen Mund. Atme. Es ist ZEIT FÜR FOKUS."
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Verweyen
P.S.: Es gibt in schwierigen Situation tolle Begleitungsangebote, Hilfs-Hotlines selbst wenn Freunde oder Familie gerade nicht zur Verfügung stehen.
Hilfe annehmen ist ein Zeichen von Stärke.